So findet man das richtige Wohnmobil – Teil 4

Wir können natürlich nicht jeden Grundriss unter die Lupe nehmen und kommentieren. Auch wir haben die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen, jedoch haben Inga und ich auf dem Caravan Salon ernsthaft überlegt, ob wir nicht eine Consulting Firma aufmachen sollten – stundenweise zu buchen – um all die Kaufwütigen rechtzeitig auf Unstimmigkeiten oder Denkfehler aufmerksam zu machen. Aber dazu später mehr:

1990 träumten wir von einem Wohnmobil und damals war dies für uns gleichbedeutend mit einem Kastenwagen. VW-Bus oder Ford-Transit. Westfalia oder Reimo. Ganz egal für was man sich entschied: Der Aufbau war eigentlich immer gleich: Vorne Drehsitze (das war schon etwas besonderes), dann eine Sitzbank, die man umklappen konnte zum Bett, an der Seite eine Küchenzeile und hinten einen Schrank. Dazu ein Aufstelldach oder festes Dach mit zweitem Bett.

Die Grundform ist bei vielen Kastenwagen auch heute noch modern. Scheinbar hat sich nicht viel getan.

Wir fuhren in diesem Jahr ganz bewusst mit dem Gedanken zum Caravan Salon: ‚Es wird ein Kastenwagen‘ und schauten dementsprechend dieses mal genauer hin und möchten unsere Erfahrungen weitergeben:

Per Definition bezeichnet man als Kastenwagen ein Wohnmobil auf der Basis eines fest umschlossenen Lieferwagens. Wobei der Übergang fließend sein kann, wenn ein Hochdach oder Aufstelldach angebracht wurde. Kastenwagen haben den Ruf, aufgrund ihrer kompletten Metallhülle dichter zu sein als andere Wohnmobile. Im Winter hatten wir dafür immer Kältebrücken durch die Metallwände und Säulen.

Hier geht es zu den einzelnen Teilen:

So findet man das richtige Wohnmobil – Teil 1
So findet man das richtige Wohnmobil – Teil 2
So findet man das richtige Wohnmobil – Teil 3
So findet man das richtige Wohnmobil – Teil 4
So findet man das richtige Wohnmobil – Teil 5
So findet man das richtige Wohnmobil – Teil 6
So findet man das richtige Wohnmobil – Teil 7
So findet man das richtige Wohnmobil – Teil 8
So findet man das richtige Wohnmobil – Teil 9

Um es vorweg zu sagen: wir wollen hier keinen Hersteller hervorheben oder schlecht machen. Die nachfolgenden Grundrisse dienen nur zur Verdeutlichung und sollen zum eigenen Denken anregen. Fühlen sie sich mit einem Grundriss wohl – Glückwunsch. Wenn nicht, lassen sie die Finger davon. Das Bauchgefühl ist da oftmals wichtig UND richtig!

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Diesen Grundriss gibt es von sehr vielen Herstellern. Natürlich hat jeder ein anderes Gimmick, aber das Wesentliche bleibt gleich.
Vorne drehbare Stühle, ein Tisch (manchmal auch außen verwendbar), eine Sitzbank. In der Sitzbank meist der Wassertank. Auf der Schiebetürseite eine Küchenzeile. Hinter der Sitzbank ein Bad mit Toilette und dann ein Bett. Je nach Länge des Mobiles als Längs- oder Querbett.

Alles kompakt gehalten, durchdacht mit Oberschränken, jeder Quadratzentimeter genutzt. Oft kann man die Sitzgruppe noch umbauen und bekommt auf diese Weise vier Schlafplätze.

Aber wie gestaltet sich das ‚Leben‘ in so einem Wohnmobil ?
Gehen wir einmal von zwei Reisenden aus, so hat einer immer zu sitzen oder zu liegen. Im Gang hat man kaum eine Chance aneinander vorbei zu kommen.

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Richtig spannend wird es, wenn einer im Bett ist und der andere auf der Toilette. Dann muss eine Schiebetür um die Duschwanne geschoben werden, die den kompletten Gang blockiert. Das gleiche natürlich, wenn jemand duscht. OK, das macht man ja nicht den ganzen Tag, kann man argumentieren. Für die wenigen Minuten am Tag geht das schon einmal.

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Bedenken sollte man außerdem, dass nach Benutzung der Dusche der Boden später noch einige Zeit nass ist. Und der nasse Duschvorhang und die Wände noch einige Zeit ins Innere dampfen werden.
Im Sommer und bei schönem Wetter ist das unproblematisch,
im Herbst, Winter, Frühling aber eine Brutstätte für Schimmel.
Wir besichtigten zuletzt ein gebrauchtes Wohnmobil, wo der Schimmel auf den ersten Blick nicht sichtbar war – aber man roch das Modrige. Erst bei sehr genauer Untersuchung fanden wir versporte Stellen. Zu wenig gelüftet – sagte der Fachmann.

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Mit zwei Personen geht das alles noch. Aber stellen sie sich zwei Erwachsene und zwei Kinder bei Regenwetter vor.
Ja, sie haben Recht: Im Zelt war das noch schlimmer.

Aber es geht auch anders:

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Die gleiche Grundidee, jedoch ist das Bad mehr an der Seite angeordnet. Mit echter Tür. Die Dusche kann manchmal komplett über die Toilette geschoben werden. Da gibt es ganz pfiffige Ideen.
Jedoch funktioniert diese Variante bei gleicher Länge nur mit einem Querbett. Lange Lulatsche haben Probleme. Normalgrosse Mitbürger können mit der kompletten Breite eines Kastenwagens gut auskommen.

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Vorteil: Der Gang bleibt frei, der Raum wirkt etwas größer. Ist einer im Bad, kann der andere trotzdem ins Bett oder zur Sitzgruppe.

Auch hier gilt: Im Sommer völlig ausreichend, während des restlichen Jahres kann es eng werden.

Bei den meisten Varianten muss man aber auch einen Blick auf die Front-Sitze werfen: Meist lässt sich einer der Sitze nicht komplett drehen. Oder wegen des Lenkrades nicht so weit verschieben. Hier gilt ausprobieren und sich vorstellen, mehrere Stunden dort zu verbringen.

Spannend wird es dann auch im Detail: Wo verstaue ich Tisch und Stühle, wo kommen die Gasflaschen hin? Kann man auch 11 kg Flaschen oder nur 5 kg Flaschen transportieren. Bei Westfalia suchten wir die Gasflaschen vergebens: hier setzt man auf Diesel-Heizung und hat somit mehr Raum für das Equipement.
Da jeder Anbieter mit dem Gewicht zu kämpfen hat, sollte man sehr genau auf die Details achten. So fanden wir Bretter mit großen Löchern die als Tritthilfe dienen sollten. Barfuß auf eine 1 cm breite Kante zu treten, wird nicht immer Spaß machen und so fragten wir uns, wie lange das wohl die Umleimer an einer solchen Kante aushalten, bevor sie abplatzen.
Und weil Gewicht so wichtig ist und das Material oft leicht und weich, fanden wir schon am ersten Messetag solche Dinge:

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Billigste Lösungen. Wie lange die restlichen Schrauben wohl halten?
Wir wissen es nicht, aber so endet der Wohnmobil-Spaß ganz schnell im Wohnmobil-Frust.

Das es auch anders geht, zeigt dieser Hersteller:
2016-08-27_17-44-07_caravan-salon_20160827_174407-1600Wohl jeder, der schon einmal selbst einen Schrank aufgebaut hat, weiß, dass die Türen eigentlich nie parallel ausgerichtet sind. Man braucht Stunden, um die Scharniere anzupassen und alles gut aussehen zu lassen. WeheG man verrückt den Schrank, dann geht der Spaß von vorne los.

Beim Wohnmobil ist das nicht anders und so findet man schnell Klappen und Türen, die nicht mehr schließen. Oft sind die billigen Scharniere nicht einmal mit Einstellmöglichkeiten ausgestattet. Bei diesem Mobil ist die Verstellmöglichkeit einfach und leicht zu erreichen. Kleinigkeiten? Wir denken nicht!

Neben den beiden bisher genannten Grundrissen  gibt es noch eine ganze Reihe von anderen Ideen. Für zwei Personen fanden wir den Karman Dexter 550 gelungen:

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Das Mobil hat ein Hochdach und bei 5,50 ein Bad und Küche im Heck. Wenn es ins Bett geht, wird von oben das Bett herunter gezogen und man steigt vom Bad kommend hinein.
Noch kleiner, noch kompakter. Noch weniger Stauraum. Dafür absolut alltagstauglich, da kaum größer als ein PKW.
Für Städtetouren, kleine Reisen und den Sommerurlaub haben wir ernsthaft damit geliebäugelt.

Einzig, dass beide entweder ins Bett gehen oder wach sein müssen, fanden wir nicht so prickelnd. Zwar kann einer auch noch auf dem Beifahrersitz lesen, während der andere ins Bett geht, aber aus dieser Zeit (denn so war es bei uns vor 20 Jahren schon) sind wir dann doch schon heraus.

Das die Details wichtig sind, zeigte uns dann diese Badtür:

Wie lange wird es dauern, bis entweder die Küche oder die Tür Schrammen abbekommen hat?

Weil alle mit den gleichen Kasten arbeiten, braucht es Innovationen: die Idee von Reimo ist zwar nett, aber wir können nur hoffen, dass das Konzept mit offenen Türen in der Nacht auch bei Regenwetter funktioniert:

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Und natürlich gibt es dann noch die Idee des Zusatzbetts fürs (Enkel-)kind auf den Frontsitzen:

Inga testet das Frontbett

Für Kinder mag das funktionieren, zumindest, wenn sie klein sind. Für größer 1,60 cm könnte es dann aber schon kein Spaß mehr sein.

Nun kommen noch einige Wermutstropfen:
Stellen sie sich vor ihr Traum-Mobil und stellen sich folgende Situation vor: Es regnet, ihre Jacke ist nass, die Schuhe schmutzig. Sie sind zu zweit.
Schiebetür auf und schnell hinein ins Warme. Aber wohin mit den Schuhen, wohin mit der Jacke? Noch dazu zu zweit.
Inga hat mit dieser Vorstellung fast jedes Wohnmobil betreten. Und nach einiger Zeit musste ich ihr recht geben. Die wenigsten Hersteller haben an eine Lösung gedacht.
Fast nirgendwo ist ein Haken in der Nähe der Tür zu finden. Nur sehr selten ein Fach für Schuhe.
Alltagstauglich geht anders! Ich weiß noch, dass wir in einer solchen Situation immer über die Fahrer- und Beifahrertür eingestiegen sind, dort die nassen Schuhe auszogen und in den Fußraum gestellt  und die Jacken meist an die Griffe über der Tür gehängt haben – das scheint auch heute noch die Lösung zu sein.

Zudem fehlen in den allermeisten Fällen Mülleimer!
Wir haben nur in einem Wohnmobil eine Stofftasche (am Eingang) gefunden, in die man eine Mülltüte stecken kann. Auch da zeigt die Erfahrung, dass die meisten Wohnmobilisten am Ende irgendeine Lösung erfinden –  eigentlich sollte das schon im Konzept der Hersteller vorgesehen sein.

Und fast noch schlimmer: nur sehr selten fanden wir bei Kastenwagen etwas, dass man als ‚Kleiderschrank‘ bezeichnen kann.
Staukästen über dem Bett sind gut. Aber für ein Hemd, Kleid oder Sakko? Bei einer Städtetour mit Museum oder Theater gehört so etwas einfach dazu und muss dementsprechend transportiert werden. Die Frage ist nur oft: WO?

Lustig auch der Verkäufer, der uns riet, den fehlenden Stauraum für zwei weitere Stühle durch einen Heckträger mit Alubox zu ergänzen. Wenn das die Dauerlösung sein soll, dann kann man auch gleich ein größeres Wohnmobil kaufen.
Sinnvoll ist die Lösung, das Staufach unter dem Bett durch ein Brett zu teilen: im unteren Teil Tisch und Stuhl, bleibt genügend Raum für Kisten mit Verpflegung oder Spielzeug.2016-08-27_17-48-21_caravan-salon_20160827_174821-1600

Zusammenfassend:
Kastenwagen boomen. Im Gespräch mit Herstellern und Verkäufern wurde uns immer wieder gesagt: Enkelurlaub ist in! Genutzt wird der Kastenwagen überwiegend im Sommer im Süden.
So scheint die Zielgruppe nicht etwa (wie es früher war) die Jüngeren, sondern mittlerweile die Ü60 Generation.
Aus eigener Erfahrung wissen wir:

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Das Leben findet dann im Freien statt!
Und als Alltagsauto werden auch Kastenwagen am Ende nicht häufig genutzt.
Eine Solaranlage oder SAT-Antenne einzubauen bedeutet immer ein Loch in die dichte Hülle zu bohren. Für manche ein No-Go. Dabei wird vergessen, dass auch ein Dachfenster schon ein Eingriff in die Konstruktion bedeutet.
Vorteilhaft ist, das es handelsüblich passende Kajak-, Surf- oder Gepäckträger gibt.

Dann doch lieber ein größeres Wohnmobil kaufen? Wir erzählen von Dickschiffen und der Weißware:

So findet man das richtige Wohnmobil – Teil 6

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2 Antworten

  1. Das wusste ich gar nicht, dass Ihr auch Kastenwagen fahren wolltet. Inzwischen ist die Vielfalt der Grundrisse unendlich vielfältig. Und es kommen mehr spannende neue Ideen auf den Markt. Ich versuche einmal im Jahr einen Überblick, aber das ist fast unmöglich. Eure Ausführungen finde ich bei der Entscheidungsfindung immer noch nützlich, auch wenn mein Herz immer noch für den Kastenwagen schlägt. LG Katja

    1. Hi Katja,
      1990 haben wir einen Kastenwagen selbst ausgebaut. Nadja sagt immer: Wir haben schon Vanlife gemacht, als es noch gar nicht so hieß 🙂
      Mittlerweile sind wir bequemer geworden und wollen unseren weißen nicht mehr missen!

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